Dom Guéranger (1805 - 1875)

Dom Prosper Guéranger von Solesmes

Durch die Französiche Revolution und die nationalen Revolutionen des 19. Jahrhunderts fand in weiten Teilen Europas das abendländische Mönchtum ein gewaltsames Ende. Schon vorher hatte der Zeitgeist der Aufklärung den Sinn für einen persönlichen Gott und für das christliche Glaubenszeugnis weitgehend verdunkelt. Viele der zahlreichen Klöster waren zu wohlhabenden und unfruchtbaren kirchlichen Institutionen geworden. Ihre großen kulturellen Verdienste schienen nicht selten der Vergangenheit anzugehören.
Die Revolutionen mit ihrem Hass auf alles Katholische zerbrachen jedoch nicht nur marode Strukturen, sondern sie forderten auch unzählige Blutopfer unter Gottgeweihten und Laien, die entsprechend kirchlicher Überzeugung zum Samen für neues christliches Leben werden sollten. Dennoch dauerte es oft Jahrzehnte, bis – abgesehen von einigen benediktinischen Frauengemeinschaften im Untergrund – das Mönchtum wieder zu leben begann.

Dom Prosper Guéranger gründete 1833 im vormaligen Priorat von Solesmes/Sarthe eine neue benediktinische Gemeinschaft, die sich stark am traditionellen Mönchtum orientierte.
Tatsächlich beginnt mit dem Abt von Solesmes eine neue Epoche liturgischen Bewusstseins und monastischer Spiritualität. Seine Idee vom kontemplativen Leben in Gemeinschaft und in der Abgeschiedenheit war dabei so alt wie das christliche Mönchtum selbst. Dom Guéranger wusste, dass es nur wenige charakteristische Elemente gibt, die authentisches Mönchtum ausmachen. Nicht Vielfältigkeit, sondern Einfachheit steht am Ursprung jeder Form geistlichen Lebens. Innere Umkehr, Gebet und Arbeit sind die Koordinaten jeder christlichen Existenz. Nicht anders ist es im Mönchtum. Das Kloster Benedikts bietet dafür die wenigen, aber wesentlichen Bedingungen.

Viele Zeitgenossen verehrten den Stifter von Solesmes, andere taten sich schwer mit diesem Abt und seinen Mönchen. Im linksliberalen Kirchenmilieu war die spitze Feder des Abtes gefürchtet.
Seinen Mönchen schuf Dom Guéranger eine geistliche und theologische Basis, die über Generationen hin ihre Bedeutung behalten hat. Liebe zur monastischen Tradition und spirituelle Wachheit kennzeichnen die Gestalt dieses großen Mönches, der in seiner und in unserer Zeit oft missverstanden wurde und der dennoch zu jenen gehörte, die das Charisma liturgischen und kontemplativen Gebetes in eine neue Zeit getragen haben.